|
||||||
Letzte Rede von Staatspräsident Rowland Bolar | ||||||
Gehalten vor dem Parlament der Republik 15.Januar 2015
Der Präsident verstarb in der Nacht vom 15. zum 16. Januar an einem Herzinfarkt. Für die nächste Woche wurde Staatstrauer verordnet. Am Freitag findet das Staatsbegräbnis in der Halle der Republik in Berena statt. |
||||||
|
||||||
Liebe Bürgeriinnen und Bürger Liebe Muslime, Christen, Buddhisten, Hinduisten, liebe Gläubige und Atheisten Sehr geehrtes Parlament Aus den Medien haben Sie den Bruch mit Saudi Arabien, den ich mit der Regierung zusammen gefasst habe bereits erfahren. Ich habe mich dazu in der Folge bereits kurz geäussert und möchte nun umfassend Stellung nehmen. Dem Eklat ging ein Schreiben meinerseits an den Saudischen König voraus, auf dessen Inhalt ich auch kurz eingehen werde. Bereits 2005 wurde die Weltöffentlichkeit aufmerksam auf die saudische Justiz. Die verschiedenen Gerichte waren sich damals uneins in Sachen Todesstrafe, welche im Falle der angeblichen Kindsmörderin Rizana Nafeek aus Sri Lanka verhängt wurde. Der Fall wurde dem König überreicht, der das letzte Wort hat und der das Urteil bestätigte. Nun geriet die Saudische Justiz erneut in den Fokus westlicher Aufmerksamkeit. Der Blogger Raif Badawi vertrat auf seiner Website die Ansicht, dass Muslime, Juden, Christen und Atheisten gleichwertig seien. Dafür wurde er von der saudischen Justiz zu 10 Jahre Haft und 1000 Peitschenhieben und Zahlung einer Million Rial (ca. 200.000 Euro) verurteilt. Als ich davon Kenntnis erhielt war meine Betroffenheit sehr gross und ich beschloss mit Einwilligung der Regierung ein Schreiben an König Abdullah zu senden. In dem Brief bat ich ihn um Gnade für den jungen Mann und um ein generelles Umdenken in Sachen Körperstrafen. Wörtlich habe ich geschrieben, die Körperstrafe sei zu Zeiten als Pferde noch das bevorzugte Transportmittel gewesen waren zwar nicht weniger grausam gewesen, jedoch brauche alles seine Zeit, dafür hätte man durchaus Verständnis. Zu einem Gentleman, der sich im Rolls Royce chauffieren lasse und der einen eigenen Jet befehlige würden solch mittelalterliche Folterrituale nicht passen, dies sei meine persönliche Ansicht und somit die des Präsidenten der Republik Sehnah. Ich bat ihn im Namen Allahs nicht hinter dessen Gerechtigkeit zurückzubleiben und sich die Suren bezüglich der Hiobsgeschichte, welche das AlteTestament mit dem Koran teile, zu Gemüte zu führen. Ein besonderes Element der islamischen Versionen der Geschichte sei doch der durch göttliche Intervention verhinderte Meineid Hiobs. Nach den betreffenden Erzählungen, die an Sure 38:44 anknüpfen, hatte Hiobs Frau dem Teufel gelobt, ihm zu dienen, falls er ihnen ihren früheren Wohlstand zurückgäbe. Aus Zorn darüber schwur Hiob, ihr hundert Rutenstreiche zu verpassen, wenn er wieder gesund werden würde. Nachdem ihn Gott errettet hatte, befahl er ihm, ihr mit einem Bündel von hundert Palmenruten nur einen einzigen Streich zu versetzen, um so seinen Eid halten zu können, ohne ihr weh tun zu müssen. Liebe Bürgerinnen und Bürger von Sehnah, ich bitte Sie mir diesen Griff in die theologische Trickkiste zu verzeihen, auch dieser letzte Streich, sowie die Tatsache, dass einmal mehr das Weib als dummes ängstliches Ding herhalten musste, ist zwar skandalös, hat aber durchaus auch Tradition bei uns in der westlichen Geistesgeschichte. Es war höchste Zeit, dass wir damit aufgeräumt haben. Eine Antwort auf unser Schreiben blieb aus, der Botschafter wurde aus Berena abberufen. Das Königshaus schwieg und die ersten Peitschenhiebe wurden erteilt. In der Folge wurden unser Botschafter und seine Leute ebenfalls zurückbeordert und alle Personen welche gefährdet sein könnten ausgeflogen. Zur Anklage, der Blogger habe das Ansehen des Königreichs in den Dreck gezogen, sage ich nur so viel und verlasse damit bewusst das diplomatische Parkett: Man kann nicht in den Dreck ziehen, was offenbar selber bis zum Halse im Dreck steckt. Es ist höchste Zeit, dass wir aufhören unsere wirtschaftlichen Interessen den fundamentalsten Menschenrechten unterzuordnen. In Absprache mit der Regierung werde ich ein Exempel statuieren und der Saudischen Königsfamilie die Einreise nach Sehnah als unerwünschte Personen verbieten. Unsere Nachbarn im Norden und im Westen fordere ich auf, ebenfalls vehementer gegen krasse Menschenrechtsverletzungen vorzugehen und sich nicht nur dort zu äussern, wo es opportun ist. An die Adresse des Präsidenten der USA richte ich an dieser Stelle den Appell, die Folterskandale der CIA restlos aufzuklären, denn ein selbsternannter Weltpolizist der sich wie eine Bananenrepublik verhält steht auf Augenhöhe mit Diktaturen und verliert das politische Gesicht. Liebe Bürgerinnen und Bürger Ein ebenso unerfreuliches Thema ist der individuelle Terror, der Angriff auf die westliche Zivilgesellschaft. Auch hier möchte ich noch einmal auf jene Bibel- und Koranstellen hinweisen, die mit dem gebeutelten Hiob zu tun haben. Da der Gott Abrahams auch der Gott der Muslime ist, können wir ihn da zitieren, wo er sich offenbart hat. Ich berufe mich demnach auf den Text und nicht auf meine Weltanschauung die hier nicht Gegenstand sein soll. Ich bin kein Bibelexegete und zitiere die Stelle so wie ich sie lese und verstehe. Grundsätzlich behandelt die Hiobgeschichte die Frage, wie es sein kann, dass der gerechte Gott duldet, dass guten Menschen Böses widerfährt. Sie versucht zu beantworten, weshalb trotz Gottes Allmacht und Güte auch ein gerechter Mensch leiden kann. Sie wehrt sich gegen die fromme und einfache Annahme, dass das Leiden eine Strafe Gottes sei.In der theologischen Fachsprache hat sich dafür der Ausdruck „Theodizee“, also Frage nach der Rechtfertigung eines liebenden Gottes angesichts des Leidens, eingebürgert. Dies ist die eine Seite der Medaille, die andere ist aber die Frage ob es dem Menschen anstehe, Mitmenschen in Glaubenssachen zu be- und verurteilen. Ich selber lese den Text so, dass es uns eben nicht ansteht und mein Verständnis von dem Gott der da in diesen Texten beschrieben wird sieht eher so aus, dass er sich diese Urteile und Strafen für sich vorbehält oder eher noch, wie im Falle des Weibes von Hiob in der muslimischen Fassung, Gnade walten lässt. Oft bekommt man das Gefühl, dass Leute die andere umbringen, weil diese Gott gelästert haben oder haben sollen, sei es in einer Karrikatur, oder in einem Text, oder öffentlich verbal, dass diese Leute eher schlechte Gläubige sind, die entweder gar nicht glauben und deshalb selber richten, oder denken der alte Gott sei viel zu gutmütig, sie müssten da dem jüngsten Gericht etwas vorgreifen, sei es mit Kalaschnikows, oder eben “nur“ mit 1000 Peitschenhieben. Natürlich gibt es in den Texten auch den Auge um Auge, Zahn um Zahn Gott und wenn dieser es für notwendig hält uns beim jüngsten Gericht die Zähne zu ziehen, so ist das immer noch seine Sache. Eine moderne Vollzugspraxis soll Delinquenten in die Gesellschaft zurückführen und Einsperren ist bereits genügend Strafe, auch ohne Peitsche oder Waterboarding. Zur Sicherheitsverwahrung habe ich mich an anderer Stelle bereits geäussert. An die Adresse der westlichen Rechtspopulisten welche der Ansicht sind, der Koran sei nun primär eben eine radikale Schrift, die das Agressionspotential der Muslime begünstige, dem muss ich klipp und klar sagen: Auch das Jüdisch Christliche Alte Testament ist von dieser Art, man kann sich in alle Richtungen bedienen. Und der Vorzug jenes ausserordentlichen Textes, dem Haupttext des Neuen Testamentes schlechthin, der Bergpredigt, ist es in der Tat, dass dieser eine Ausnahmeerscheinung ist. Doch wer nun glaubt, religiöse Texte verantwortlich machen zu können, oder gar behauptet der Kern des Bösen lauere im Text, im momentanen Fall im Koran, der irrt. Der irrt aus dem einfachen Grunde, weil eben die Bergpredigt mitnichten verhindert hat, dass die indogene Bevölkerung von Süd- und Nordamerika schlicht fast ausgerottet wurde. Ebenso in Australien, Afrika etc. Nicht zu vergessen die Kreuzzüge, die Hexenverbrennungen die Inquisition. Das Grauen versteckt sich nicht in den Texten, das Grauen ist so real wie es Marlon Brando in seinem Monolog des Capitan Walter E. Kurtz in Apocalypse Now rezitiert. Auf allen Ebenen lösen sich binäre Vorstellungen von Gut und Böse, von Zivilisierten und Barbaren, von Romantik und Unberechenbarkeit, von Liebe und Tod auf. Wollt ihr das alles dem alten Gott Jahwe, oder Allah oder wie er noch genannt wird zumuten. Wollt ihr wie Colonel Walter Kurtz es ausdrückt mit dem Grauen eins gehen, weil es Euch sonst auffrisst? Oder könnte es sein, dass man aus dieser Endlosschlaufe des Wahnsinns einmal herausfindet, man den Propheten Jesus, wie ihn die Moslems nennen, vom Kreuze holt und die Stigmata einer überkommenTodesikone durch ein Lebenszeichen ersetzt, das mehr hergibt als die Mär einer weggeschobenen Steinplatte, als wäre ein Kyklop oder Ali Baba am Werke gewesen. Das Kreuz überschattet seit eh die Bergpredigt. Der Mythos des Gottesmordes rechtfertigte so manchen Zornesmord, so manche fehlgeleitete Ideologie. Was die westliche Satire, die Karikaturen angeht, nur kleine Götter können lächerlich gemacht werden, echte Götter wissen sich selber zu helfen. Auch hier sind Mordkommandos nur ein Zeichen der Schwäche, im Namen eines Gottes zu töten ist die grösste Beleidigung für einen echten Gott. Wenn Gott exisitiert, sind Gotteskrieger überflüssig! Seit Myanmar ist auch der Mythos bezüglich Gewaltlosigkeit bei den Buddhisten auf das Schlimmste in Verruf geraten, und die Hindus haben nach 1947 in den Umsiedlungskonflikten im Panjab zwischen dem hinduistischen Indien und dem muslimischen Pakistan ebenfalls gezeigt, dass sie zu Greueltaten in der Lage sind. Christen, Muslime, aber auch Buddhisten und Hindus, übernehmt endlich die Verantwortung für eure Taten. Schafft die Todesstrafe ab und auch die Folterstrafen, verzichtet auf Fathwas und Mordkommandos auf Vertreibungen und Genozide und bekehrt Euch zum wahren Glauben. Vertraut auf die Gerechtigkeit eures Gottes und macht euch nicht zu Henkersknechten eurer niederen Instinkte. Allah wird nicht gross in Eurem Kriegsgeheul, im Gegenteil mit jedem Mord wird er kleiner und kleiner. Überlasst die Ungläubigen dem jüngsten Gericht, nur so beschmutzt Ihr nicht die Namen der Propheten und Heiligen. Und den Ungläubigen sei an dieser Stelle gesagt, nicht die Religionen tragen die Schuld an den Genoziden, es sind immer die Menschen, und unter den gottlosen Kommunisten Lenin, Stalin und Mao sind Millionen geopfert worden. Wer zum Töten aufruft oder antritt ist ein Knecht des Satans, der im Namen des Propheten oder Allahs oder Jahwes spricht. Denn wenn es einen Gott gibt, dann ist nur ein einziger möglich, auch wenn ich als Staatsoberhaupt der Republik Sehnah selber nicht an ihn galube. Mein Glaube an die Menschheit kann jedoch nur im Frieden seine Ruhe finden. Der Glaube an die Gewaltlosigkeit ist die einzige Ideologie, die einem grossen Gotteswesen gerecht wird und dieses Wesen steht über der Religion, über dem Geschlecht und vor allem über jeglichem Wissen. Mit Potentaten, die im Jahre 2015 einen Bürger zu 1000 Peitschenhieben verurteilen, will unsere Republik nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, egal um was für Märchenprinzen und Könige es sich handelt. Die saudische Königsfamilie ist jederzeit wieder in unserem schönen Land willkommen. Die Bedingung jedoch ist eine Reform ihres barbarischen Strafsystems. Die Bedingung ist aber auch eine königliche Geste der Menschlichkeit! Diese Rede soll gleichsam mein Testament sein. Präsident Rowland Bolar ist zwei Tage nach der Niederschrift dieser Rede verstorben. Sie wurde vom Ministerpräsidenten gestern im Parlament stellvertretend gehalten. |